Meine Woche

Wenn das Aufstehen Überwindung kostet

Karsten Hollmann 01.03.2017

Mittwoch, 22. Februar: Ich stehe um 7 Uhr auf, um mich für die Schule fertigzumachen, die um 8 Uhr beginnt. Den Weg muss ich zu meinem Entsetzen bei Regen mit dem Fahrrad überstehen. Nach der Schule mache ich mich dann kurz an meine Facharbeit zum Thema des elektrifizierten Antriebsstranges im Fahrzeugbau, also dem Elektroauto, um danach meine letzte Trainingseinheit vor den deutschen Jugendmeisterschaften in der Halle zu erledigen. Auf dem Plan stehen heute 15 100-Meter-Läufe mit einem lockeren Tempo, um für die Meisterschaften nach der harten Tempo-Laufeinheit zu regenerieren. Dazu kommen etwas allgemeine Athletik und Fußgelenkstabilisation sowie Gymnastik. Heute begleitet mich unsere Leonberger-Hündin Frida. Sie freut sich immer riesig, mit mir trainieren zu dürfen. Nach dem Ende meiner Einheit esse ich mit meinem Vater sehr lecker zu Abend und schaue dabei etwas Fußball-Champions League. Der englische Meister Leicester City tritt in Sevilla an. Für uns ist es interessant, weil wir im Sommer für ein Premier-League-Spiel zu Besuch in England waren. Die Stimmung in den englischen Stadien ist unglaublich. Gegen 22.45 Uhr gehe ich ins Bett, um für den Wettkampf schon jetzt genug Schlaf zu bekommen.

 

Leichtathletik (frei)


Donnerstag, 23. Februar: Heute ist ein stressiger Tag. Mein Vater Lars bringt mich morgens mit dem Auto zur Schule, damit ich auf dem Rückweg schneller zu Hause sein kann. Es gibt bei mir Tage, die sind einfach minutiös durchgeplant. So ein Tag ist heute: Schule, Tasche packen, Essen mit meiner Mama Katja und dann auf zum Bahnhof. Noch müssen mich meine Eltern im Auto begleiten, da ich schon mit 17 Jahren meinen Führerschein gemacht habe. Von Herbst an könnte ich dann selbst fahren. Mir fehlt nur noch das Auto. Normalerweise werfe ich noch mit meinem Bruder Per ein paar Körbe. Aber dazu fehlt heute die Zeit. Ich fahre schon zu meiner Freundin Luna Bulmahn, die in der Nähe von Hannover wohnt. Morgen werde ich von dort aus mit ihr und einigen weiteren Athleten und Trainern die Anreise nach Sindelfingen starten. Abends treffen wir noch die letzten Vorbereitungen für den Wettkampf. Dazu gehört auch die Zubereitung des Essens.


Freitag, 24. Februar: Da ich heute schon die weite Anreise nach Sindelfingen in der Nähe von Stuttgart mit meinem Trainer Georgi Kamenezki und einigen Athleten aus meiner Trainingsgruppe in Hannover sowie mit meiner Freundin, die ebenfalls bei den deutschen Meisterschaften über die 60 und die 200 Meter starten wird, antrete, kann ich nicht in die Schule gehen. Die Mutter meiner Freundin bringt uns beide um 10 Uhr zum Olympia-Stützpunkt in Hannover. Nach überstandener Fahrt begutachten wir die Wettkampf-Anlagen, um schon einmal ein Gefühl für die folgenden Tage zu bekommen. Es ist immer etwas Besonderes, bei deutschen Meisterschaften zu starten. Dieses Gefühl tritt auch dieses Mal auf. Die Spannung steigt. Auch die Nervosität ist nun präsent. Perfekte Voraussetzungen, um morgen im Vorlauf über die 400 Meter alles zu geben und schnell zu laufen. Das Ziel ist eine Zeit unter 49 Sekunden und die Finalteilnahme am Sonntag.


Sonnabend, 25. Februar: Zum Frühstück esse ich Müsli mit Quark und Brötchen, um viele Kohlenhydrate für den bevorstehenden Wettkampf aufzunehmen. Außerdem unterhalte ich mich mit meinem Trainer über Werders grandiosen 2:1-Sieg beim VfL Wolfsburg in der Fußball-Bundesliga vom Vorabend. Nach dem Frühstück gehe ich mit meiner Freundin spazieren, um die Muskeln zu lockern und Sauerstoff zu tanken. Im Hotel schaue ich mir mit meinem Zimmerkameraden Julian Hey den Livestream von den Meisterschaften an. Gegen Mittag fahren mein Trainer sowie meine Trainingspartnerin Lea Ahrens in die Halle. Die Mädchen sind eine halbe Stunde vor mir mit ihren Vorläufen an der Reihe. Aufwärmen muss ich mich draußen, was bei dem guten Wetter kein Problem darstellt. Ich starte auf Bahn drei. Damit kann ich sehr gut leben. Der Lauf beginnt sehr gut für mich. Nach 150 Metern liege ich vorne. Ich muss die Führung aber leider schnell abgeben und werde etwas ausgebremst. Auf der Zielgeraden kann ich jedoch noch zulegen und den Vorlauf in einer Zeit von 49,32 Sekunden für mich entscheiden. Damit werde ich morgen als Sechster im B-Finale an den Start gehen. Nun wird noch nachbereitet. Unser Physiotherapeut lockert die Muskeln, damit ich morgen wieder Vollgas geben kann.


Sonntag, 26. Februar: Es geht bereits um 11 Uhr in die Halle. Ich bin voll fokussiert auf meine Aufgabe. Die ersten 200 Meter will ich heute schneller laufen, um als Erster auf die Schlussrunde zu gehen. Es wird ein knappes Rennen, da alle eine ähnliche Vorleistung vorzuweisen haben. Von Bahn vier startend gehe ich schnell an. Dies hatte ich vorher mit meinem Trainer auch so besprochen. Ich biege als Führender in die Schlussrunde ein. Nun kann mich keiner mehr abfangen. Ich gewinne das B-Finale und somit den fünften Rang bei den deutschen Meisterschaften. Ich bin erleichtert und zugleich auch glücklich, konnte allerdings meine Zeit nicht verbessern. Nachdem ich noch meine Freundin, die mit einer neuen persönlichen Bestzeit und Rang vier über die 200 Meter am nächsten Wochenende beim Hallen-Länderkampf in der 4x200-Meter-Staffel starten darf, und weitere Trainingskollegen angefeuert habe, machen wir uns wieder auf den Rückweg nach Hannover.


Montag, 27. Februar: Ich bin müde: Das Aufstehen ist eine große Überwindung. Auch meine Beine sind müde vom Wochenende. Zum Glück habe ich die ganze Woche trainingsfrei, um wieder Energie für die nun anstehende Vorbereitung für die Sommersaison zu tanken. Die Mutter meiner Freundin fährt mich zum Bahnhof. Ich trete also jetzt den letzten Teil meiner Heimreise an. Im Zug schreibe ich weiter an meiner Facharbeit und höre Musik. Gerne höre ich Lieder von Mackelmore oder anderen Hip-Hop-Sängern aus den USA. Zu Hause angekommen, hole ich den verpassten Stoff aus der Schule nach, damit ich auch hier nicht hinterher hänge. Denn auch wenn ich mein Abitur erst im nächsten Jahr schreibe, merke ich immer wieder, dass es kein Vorteil ist, in der Schule zu fehlen. Außerdem esse ich mit meiner Mutter und meinem Bruder Per zu Abend. Ich genieße es immer wieder, Zeit mit meiner Familie zu verbringen, gerade weil ich insgesamt so wenig zu Hause bin.


Dienstag, 28. Februar: Mein Schulalltag kehrt jetzt zurück. Ich versuche, meine Fehlzeiten so schnell wie möglich aufzuholen. Normalerweise würde ich am Dienstagnachmittag direkt nach der Schule zum Training nach Hannover fahren. Aber diese Woche habe ich ausnahmsweise mal frei. Bereits seit zehn Jahren bin ich nun schon in der Leichtathletik. Ich mache Pläne für das Wochenende. Vielleicht werde ich am Sonnabend mit ein paar Freunden zum Werder-Spiel gegen Darmstadt 98 gehen.